Im Bürgerhaus „Altes Bad“ in Unterwössen wurde ein kleines (aber feines) archäologisches Museum für die Bodenfunde in der Region Achental eingerichtet. Initiator und Betreiber ist der Heimat- und Geschichtsverein Achental e. V. Es waren fast ausschließlich Mitglieder des 1998 gegründeten Vereins, die dafür gesorgt haben, dass die von der Facharchäologie lange vernachlässigte Voralpenregion in das Licht der Geschichte getreten ist.
Die Bodenfunde unserer Amateur-Archäologen widerlegen die bis vor wenigen Jahrzehnten vorherrschende Vorstellung, dass das Tal der Tiroler Ache in einer Gegend liege, die erst sehr spät in der Geschichte besiedelt worden sei, nämlich um 500 n. Chr. Erst mit dem Volk der Bajuwaren habe die landwirtschaftliche Erschließung des Tales begonnen. Davor habe es sich um unbewohntes Ödland gehandelt. Demzufolge rechnete man in Archäologen-Kreisen nicht damit, hier auf vor- und frühgeschichtliche Funde zu stoßen.
Heute wissen wir, dass das Tal der Tiroler Ache bereits in der frühen Bronzezeit, also vor etwa 4.000 Jahren. von Menschen bereist wurde. Reichhaltige Waffen-, Schmuck-, Werkzeug- und Hausratfunde aus Kupfer, Bronze und Eisen belegen, dass es über einige Jahrtausende eine Reiseverbindung zwischen Süd- und Mitteleuropa auch über das Achental gegeben haben muss.
Straßen und Wege stellen eine Voraussetzung für die menschliche Besiedlung einer Region dar. Nur wenn Reisen und Warenverkehr möglich waren, konnten Kommunikation, Kultur- und Güteraustausch, kurz: „Geschichte“, stattfinden.
Schon in der frühen Bronzezeit, vor ca. 4000 Jahren, muss es Wege durch das Achental gegeben haben. Hiervon zeugt eine Vielzahl von Bodenfunden. Wie auf einer Perlenkette aufgereiht erscheinen heute die einzelnen Fundorte links und rechts der Tiroler Ache. Hier müssen vorzeitliche Saumwege existiert haben.
Die gut belegte Theorie von Verkehrswegen durch das Achental führt zwangsläufig zu der Folgerung, dass diese einen Anschluss an überregionale Verkehrsnetze gehabt haben müssen. Zum einen mussten Kupfer und Bronze aus den Tiroler Bergwerken und auf dem Weg liegenden Gießereien in das mitteleuropäische Vertriebsnetz eingespeist werden, zum anderen musste das für die Bronzeerstellung erforderliche Zinn, das es in Südbayern nicht gab, aus dem Norden herbeigeschafft werden.
Aus der Römerzeit gibt es Bodenfunde, die belegen, dass die Wege durchs Achental nach wie vor genutzt wurde. Zu einem Ausbau der Saumpfade zu einer befestigten Römerstraße kam es jedoch nicht. Das Tal wurde alljährlich von verheerenden Hochwassern heimgesucht, die eine Bebauung verhinderten. Die Saumpfade waren deshalb auch relativ hoch an den Berghängen gebaut worden, was wiederum den Ausbau zu einer ingenieurmäßig geplanten Heerstraße wie in anderen, größeren Gebirgstälern ausschloss.
Dass im Achental entlang der vermuteten Saumpfade Relikte in beachtlicher Anzahl gefunden wurden, beweist noch nicht unbedingt, dass hier auch Menschen gesiedelt hätten. Es könnte sich bei den Funden auch um verloren gegangene Gegenstände durchreisender Händler und Reisender handeln.
Einige Indizien deuten jedoch auf Siedlungsaktivitäten schon in der Bronzezeit hin:
Es gibt eine ganze Reihe von Personen, die die Archäologie zu ihrem Hobby gemacht haben. Ausgewählt wurden hier nur diejenigen, die eine bedeutende Zahl von Funden vorzuweisen haben und die Mitglieder im Heimat- und Geschichtsverein Achental sind oder waren. Der Verein möchte mit den Findern Verträge über Dauerleihgaben abschließen, um die Exponate auch dauerhaft für die Nachwelt erhalten zu können.
Josef Bock (†)
Der 2021 leider verstorbene Josef Bock, Ehrenbürger von Marquartstein, war einer der Mitbegründer und eifriger Förderer des Heimat- und Geschichtsvereins Achental. Überregional bekannt wurde er mit seiner Ortschronik von Marquartstein. Er hinterließ einen umfangreichen Nachlass an archäologischen Funden, Fachliteratur und eigenen Arbeiten, der in den nächsten Jahren geordnet werden muss. Die Gemeinde Marquartstein hat ein Archiv mit seinem Nachlass eingerichtet.
Emil Huber
Die meisten Achentaler Funde hat der Schlechinger Emil Huber aufzuweisen. Seit Jahrzehnten sucht er systematisch die infrage kommenden Flächen ab und hat inzwischen mehrere Hundert Metallfunde zutage gefördert. Huber hat diese darüber hinaus in mehreren Ausstellungen präsentiert und sich vor allem durch Vortragsveranstaltungen in Schulen verdient gemacht.
Hartmut Rihl
Der Schlechinger Ehrenbürger und Heimatpfleger Hartmut Rihl hat sich in besonderer Weise um die Förderung von Archäologie und Historie in seiner Heimatgemeinde und darüber hinaus verdient gemacht. Der Schwerpunkt seiner Sammeltätigkeiten liegt im Schleching-Ettenhausener Bereich sowie auf dem Streichen.
Michael Huber
Michael Huber aus Marquartstein ist ein eifriger Sondengänger, der vor allem mit Josef Bock zusammengearbeitet hat. Seine Funde stammen aus dem gesamten Achental. Bekannt ist Huber auch für seine Stein- und Mineraliensammlung aus aller Welt.
Im Unterwössener „Alten Bad“ wurden die Achentalfunde unserer Amateur-Archäologen archiviert und zum Teil ausgestellt. Es ist so ein zwar kleines, aber doch sehr beeindruckendes Museum entstanden. Aus der Vielzahl der Funde – in einer Datenbank sind weit mehr als 300 Einzelstücke erfasst – sollen hier nur die interessantesten gezeigt und besprochen werden.
Die Gemeinde Unterwössen plant, das vorhandene Kleinmuseum durch ein größeres, ebenfalls im „Alten Bad“ untergebrachtes Museum zu ersetzen. Zurzeit ist ein Architekt mit der Ausarbeitung von Plänen beauftragt.
Ergänzend zu den in Vitrinen ausgestellten Originalfunden soll noch ein digitales und interaktives Informationssystem entstehen, unter dessen Angeboten der Besucher frei wählen kann.
Bronzeschwert aus Staudach-Egerndach
In Staudach-Egerndach auf dem Schnappenberg fand Walter Staegemann ein wertvolles Bronzeschwert, das wohl nicht als Verlust eines Durchreisenden eingestuft werden kann. Hierzu war es zu wertvoll und der Fundort zu prominent. Die Facharchäologie ging vielmehr davon aus, dass das Schwert hier bewusst aus rituellen oder religiösen Gründen niedergelegt worden sei und dass dabei der Sichtkontakt zu einer vermuteten Opferstätte in der Rottauer Filzen eine Rolle gespielt haben könnte: „Vom Fundort öffnet sich ein weiter Blick über das Chiemsee-Becken und die südlich anschließende Moorlandschaft. Dass der Sichtkontakt zu einem Bohlenweg, der dem Übergang von der Urnenfelder- zur Hallstattzeit angehört und der zu einem heute verlandeten See in der Mitte des Rottauer Filzes führt, bei der Deponierung des Schwertes eine Rolle gespielt hat, ist wahrscheinlich, wenn auch nicht beweisbar. Hier dürfte es sich um ein Moor- oder Seeheiligtum nach mediterranem Muster gehandelt haben.“ (Irlinger/Winghart).
Am „Schmugglerweg“ in Ettenhausen, nahe an der Grenze zu Österreich, entdeckte Hartmut Rihl einen wertvollen Hortfund. Als Hortfunde oder Depotfunde bezeichnen Archäologen Dinge, die vergraben oder versenkt (z. B. in einem Fluss oder im Moor) wurden und keine Grabbeigaben oder Reste (quasi Müll) einer Siedlung sind. Seit der Jungsteinzeit und vermehrt in der Bronzezeit haben Menschen solche Depots angelegt.
Insgesamt 36 Spangenbarren waren unter einem Steinhaufen verborgen. Es handelt sich um 36 Einzelbarren aus der frühen Bronzezeit, die zu der Zeit als standardisiertes Zahlungsmittel in Umlauf waren, als Vorläufer unseres Geldes also. In nachfolgenden Abbildungen sind die Barren insgesamt nach der Bergung sowie ein Einzelbarren abgebildet. Um einen Verlustfund kann es sich angesichts der Fundsituation und des hohen Wertes wohl kaum handeln, eher um ein Versteck, das später in Vergessenheit geriet oder an das der Eigentümer nicht mehr herankonnte. Welches Schicksal mag sich hinter diesem Fund verbergen?
Es gibt einen Fund aus der Karolingerzeit (um 800), der einiges Aufsehen erregt hat. 1996 entdeckte Josef Bock auf dem Marquartsteiner Gemeindegebiet zwei Stücke einer vergoldeten Bronze-Gürtelgarnitur. 2004 fand Emil Huber an derselben Stelle acht weitere Teile derselben Garnitur.
Es stellte sich heraus, dass es sich hier mit großer Wahrscheinlichkeit um Beschläge eines oder mehrerer Gürtel aus dem Mittelalter handeln müsse. Die sicherlich aus Leder oder Stoff gefertigten Gürtel selbst haben natürlich die Jahrhunderte nicht überdauern können.
Jedenfalls hat der Fund schon bald auch wissenschaftliches Interesse auf sich gezogen. Das Landesamt für Denkmalpflege führte eine Nachgrabung durch und fand ein weiteres Beschlagteil. Die Archäologin Michaela Helmbrecht, Spezialistin für die Frühgeschichte Skandinaviens, entdeckte frappierende Ähnlichkeiten der Verzierungen auf den Beschlägen zu skandinavischen Fundstücken. Es handelt sich um Greiftier-Symbole, die auf den kleinen Beschlägen nur schwer zu erkennen sind. Helmbrecht gelang auch eine Datierung der Garnitur auf das Ende des 8. oder den Beginn des 9. Jahrhunderts.
Wie aber kommt ein vergoldeter skandinavischer Gürtel ausgerechnet nach Marquartstein, auf den Aggbichl? Mit dieser Frage begeben wir uns ins Reich der Spekulationen. Der Träger könnte ein nicht unvermögender Reisender gewesen sein, auf dem Weg über die Alpen in den Süden. Vielleicht kam er am Aggbichl ums Leben. Weniger wahrscheinlich scheint die Annahme zu sein, es könne sich um einen zufälligen Verlust handeln. Zu wertvoll muss der Gürtel für den Träger gewesen sein, als dass er ihn am späteren Fundort schlicht vergessen bzw. verloren haben sollte. Wer besaß schon in dieser Zeit einen Gürtel mit vergoldeten und kunstvoll verzierten Bronzebeschlägen?
Lösen lässt sich die Frage nach der Herkunft der Gürtelgarnitur und nach den Gründen ihres über tausendjährigen Verbleibs auf dem Aggbichl letztlich nicht. Eines jedoch belegt der Fund: Seine Datierung verweist in eine Zeit, als das Frankenreich fast ganz Mitteleuropa umfasste und Karl der Große ein zusammenhängendes Gebiet von der Nord- und Ostsee bis südlich von Rom beherrschte. Dass in diesem Reich auch Reisen von Skandinavien über Bayern und das Achental in den Süden möglich, ja sogar wahrscheinlich waren, ist einleuchtend.
Für den fränkischen Einfluss in unserer Gegend sprechen im Übrigen auch die frühen Achentaler Kirchen, die zu dieser Zeit entstanden und die meist fränkischen Schutzpatronen geweiht waren. Ich denke hier an die St. Remigius-Kirche in Schleching, an die Kirche in Raiten, deren Nebenpatrozinium die Hl. Gertrud von Nivelles ist, die Servatius-Kirche auf dem Streichen, die ursprüngliche Holzkirche von Unterwössen, die dem Heiligen Martin von Tours geweiht war und die Leonhards-Kirche zu Almau. Wie aber sollen kulturelle Einflüsse zu jener Zeit in Mitteleuropa transportiert worden sein, wenn nicht durch Reisende, Händler und auch Missionare. Vor diesem Hintergrund scheinen Herkunft und Fundort der Gürtelgarnitur nicht mehr ganz so rätselhaft wie auf den ersten Blick.
Fibeln sind Gewandnadeln, die nach dem Prinzip der Sicherheitsnadel funktionierten und die von der Bronzezeit bis ins Mittelalter in Gebrauch waren. Sie dienten dazu, Kleider, Umhänge und Mäntel zusammenzuhalten und wurden auch als Schmuck getragen. Einige besonders schöne Exemplare haben Emil Huber (Raupenfibel) und Josef Oberhauser (Bügelfibel) gefunden.
Eine Scheibenfibel ist eine Fibel mit plattenförmiger, oft reich verzierter Abdeckung über der Nadelkonstruktion.
Werkzeuge sind sehr häufige Fundstücke im Achental. Die unterschiedlichsten Axt- und Beilarten vom einfachen Kupferbeil aus der frühen Bronzezeit über diverse Formen aus der Bronzezeit bis hin zu aus Eisen gefertigten Werkzeugen aus der Römerzeit lassen den technologischen Fortschritt auf diesem Gebiet unmittelbar erkennen.
Auch Waffen stellen eine reiche Fundkategorie im Achental dar. Große Mengen an Messern, Dolchen, Pfeil- und Speerspitzen zeugen von der Wehrhaftigkeit der vor- und frühzeitlichen Bevölkerung. Besonders eindrucksvoll ist der von Emil Huber gefundene „Kniekehlenschneider.
Das Fragment einer römischen Pferdetrense, gefunden von Josef Bock, nahm ein Grafiker zum Vorbild für das Vereinslogo der Heimat- und Geschichtsvereins Achental.